Gedenken zum 8. Mai 2021 – Tag der Befreiung

geschrieben von Christine Deutschmann

11. Mai 2021

„Ihr werdet die Deutschen immer wieder daran erkennen können, ob sie den
8. Mai als Tag der Niederlage oder der Befreiung bezeichnen.“ (Heinrich Böll)

Am 08.05.2021 trafen sich auf Einladung der VVN-BdA Nürnberg/Fürth etwa 70 Antifaschist*innen aus den verschiedensten Organisationen am Zeppelinfeld in Nürnberg um die Forderung „Nie wieder Krieg – nie wieder Faschismus“ an den Ort zu tragen, an dem das verbrecherische Naziregime sich selbst gerne feierte. Leider hatte das Ordnungsamt Nürnberg eine Kundgebung direkt vor der Tribüne nicht genehmigt, der Ausweichplatz auf dem Parkplatz vor dem Kiosk war allerdings wegen des Durchgangsverkehrs so ungeschickt gewählt, dass wir nach Absprache mit dem anwesenden Polizeibeamten, die Kundgebung schließlich doch in den abgesperrten Bereich legen konnten.

Immerhin wurde das Aufhängen eines großen Banners mit Friedenstaube an der Kanzel genehmigt, das dem grauen Betonklotz gleich einen freundlicheren Charakter bescherte. Laut Ordnungsamt wäre alles andere „zu politisch“.

Nach dem offiziellen Teil der Kundgebung entschlossen sich viele Teilnehmer*innen dazu, die Tribüne mit Mohnblumen, Bannern und Fahnen zu schmücken, dabei entstanden ein paar sehr schöne Fotos.

Die Redebeiträge kamen von Georg Neubauer (VVN), Alev Bahadir (Junge Stimme), und Björn Langhammer (VVN), der die PM des Bundesvorstands der VVN-BdA verlas, mit der Forderung, dass der 8. Mai ein bundesweiter Feiertag werden müsse, und das Zitat von Heinrich Böll beisteuerte. Hier noch einmal der Link zur Petition: https://www.change.org/p/8-mai-zum-feiertag-machen-was-75-jahre-nach-befreiung-vom-faschismus-getan-werden-muss-tagderbefreiung-bkagvat-bundesrat

Für die Fotos bedanken wir uns ganz herzlich bei Rüdiger Löster und Dietmar Fischer, die Reden von Alev und Georg könnt Ihr hier nachlesen.

Die Rede von Alev Bahadir

Liebe Freundinnen und Freunde, vor genau 76 Jahren, am 08. Mai 1945, endete der zweite Weltkrieg und Deutschland wurde vom Faschismus befreit.

Über 60 Millionen Menschen sind im Zuge des Hitler-Faschismus und des zweiten Weltkrieges gestorben.
Wir gedenken den Opfern und erinnern an diejenigen, die Widerstand geleistet haben!

Wie sonst könnten wir das, als uns den Schwur von Buchenwald zum Beispiel zu nehmen: Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg!

NIE WIEDER FASCHISMUS – Nach 76 Jahren dem Ende des zweiten Weltkrieges müssen wir diese Parole nun immer noch laut und deutlich rufen:  Denn wir sehen gefährliche Parallelen zum Erstarken des Rassismus, zu Kriegshetzerei und Aufrüstung. Wir sehen, wie rechter Terror in unserer Gesellschaft immer offener und aggressiver auftritt. So viele Jahre später, beklagen wir immer noch Opfer von rechtem Terror. Die Toten mahnen uns. All diejenigen, die im Hitler-Faschismus ermordet wurden, aber auch die jungen Menschen, die in Hanau, aufgrund ihrer Herkunft getötet wurden. Genauso, wie die Opfer des NSU.

Aber die Regierung interessiert sich wenig für sie. Das sehen wir, wenn im Fall der Drohbriefe des NSU 2.0 bei einer Verhaftung sofort wieder von einem Einzeltäter gesprochen wird. Das sehen wir, wenn im Fall des NSU von einem Terrortrio gesprochen wird. Wenn Netzwerke und Hintermänner im Dunkeln bleiben und Akten geschreddert oder weggeschlossen werden!

Gestern wie heute das gleiche! Denn wir wissen, dass es auch nach 45 keine echte Entnazifizierung gab. Es waren die gleichen, die sich im Hitler-Faschismus einen Namen gemacht hatten, die danach in den Parlamenten der BRD saßen. Es waren die gleichen, die im 2. Weltkrieg Heere angeführt haben, die danach die deutschen Geheimdienste gründeten! Und es sind die gleichen Unternehmen, die damals mit Zwangsarbeitern reich geworden sind, die sich heute während der Corona-Pandemie und der Wirtschaftskrise eine goldene Nase verdienen, wieder einmal auf unsere Kosten.

Wir wissen, dass es keine Entnazifizierung gab, wenn noch aktuell Straßen nach Menschen aus dem Faschismus benannt sind, Nazi-Professoren an Universitäten unterrichten dürfen und Rechte in Geflüchtetenunterkünften und in der Justiz arbeiten. Das steht im klaren Widerspruch zur vorgeheuchelten Erinnerungskultur.

Es ist die Pflicht der Bundesregierung an die Kriegsgeschichte zu erinnern. Wir wissen, das wird sie nicht von selbst tun. Deshalb schließen wir uns dem Aufruf der Auschwitz-Überlebenden Esther Bejerano an. Wir fordern: der 8. Mai muss zu einem gesetzlichen Feiertag werden! Wir fordern weiterhin Aufklärung von rechtsterroristischen Versprechen! Bloße Lippenbekenntnisse zur Erinnerungskultur reichen nicht aus, nun müssen klare Taten folgen.

NIE WIEDER KRIEG – Heute müssen wir umso entschiedener für den Antimilitarismus einstehen. Denn Kriegsherde gibt es genug. Unter dem Deckmantel der humanitären Interventionen befindet sich die Bundeswehr auf dem gesamten Erdball. Der Rüstungsetat wird auch in einer Zeit, in der die fehlende Ausstattung in der Gesundheit und Bildung nicht stärker ins Auge springen könnte, erhöht. Ein Wettrüsten ist schon im vollen Gange. Die Ausgaben für Rüstung und Militär steigt von Jahr zu Jahr. Zudem sollen mit Hilfe der USA neue Atomwaffen stationiert werden, die zerstörerischer und schneller denn je sein sollen.

Und wir sehen immer wieder, dass bestimmte Einrichtungen, wie die Polizei und die Bundeswehr besonders anfällig für rechte Gruppen in ihren Strukturen sind. Rechte Chatgruppen oder sogar ganze Netzwerke, wie Uniter sind keine Seltenheit mehr.

Gegen diese Strukturen muss entschlossen und strafrechtlich vorgegangen werden!

Während Milliarden in Rüstung gesteckt wird, wird die soziale Spaltung immer stärker. Viele Menschen sind prekären Lebenssituationen ausgesetzt, die durch die herrschende Krise nur verstärkt wird. Die soziale Ungleichheit ist heute stärker denn je zu spüren. All diese Themen dürfen nicht losgelöst voneinander betrachtet werden und bilden ein Nährboden für Rassismus und rechte Parteien wie die AfD und nationalistische Organisationen, die sich die Unsicherheit der Menschen mit Propaganda zu Nutzen machen. Dem können wir nur entgegen stehen, wenn wir uns nicht gegeneinander ausspielen lassen. Wenn wir die soziale Frage stellen und zeigen, dass die gleichen, die heute von der Krise profitieren, die gleichen sind, die es schon vor 76 Jahren haben! Faschismus und Krieg sind nie im Interesse von uns Beschäftigten. Deshalb müssen wir gemeinsam kämpfen gegen Krieg, Ausbeutung und Rassismus!

Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg!

Die Rede von Georg Neubauer

Willkommen an diesem 8. Mai, dem 76.Jahrestag des Sieges über
den deutschen Faschismus – und damit des Sieges über ein
menschenverachtendes Regime.

  • Nämlich ein Regime, das Hunderttausende politische Gegner und Andersdenkende ausgrenzte, verfolgte, inhaftierte und ermordete
  • Ein Regime, das Menschen allein aus einer konstruierten Rassezugehörigkeit als Juden, als Sinti und Roma, als Slawen oder auch als Homosexuelle millionenfach ermordete,
  • Ein Regime, das alle Nachbarstaaten in Europa mit Krieg, Besatzung und
    Vernichtung überzog. Ein Krieg, der über 60 Millionen Menschen das
    Leben kostete.

Die faschistischen Weltherrschaftspläne wurden durch das gemeinsame
Handeln der Anti-Hitler-Koalition am 8. Mai 1945 gestoppt.

Dieser Tag war und ist damit der Tag der Befreiung

  • (Er war es 1945 ) ganz konkret für die Inhaftierten in den faschistischen
    Konzentrationslagern,
  • (Er war es) für die Zwangsarbeiter, die Sklavenarbeit für die deutsche
    Industrie, die Landwirtschaft und die Kriegswirtschaft leisten mussten.
  • (Er war es) für alle von der deutschen Wehrmacht besetzten Völker.

Die gemeinsame Schlussfolgerung aller Gegner des Naziregimes hieß
damals – und sie kann auch heute nur heißen:

„Nie wieder Faschismus – Nie wieder Krieg!“

Diesen Tag wollen wir hier und heute würdigen. Deshalb haben wir
eingeladen zu dieser Kundgebung! Ich freue mich, dass ihr so zahlreich
mitmacht!

Ein paar Sätze zu diesem Platz – und zu der nicht genehmigten von uns
vorgesehenen Gestaltung der Zeppelin-Tribüne mit unserem Transparent.
Unser langjähriger Vorsitzender Ludwig Göhrung (den die Nazis 11 Jahre lang
durch mehrere KZ geschleppt und gefoltert hatten) hat mir einmal (sinngemäß) gesagt:

Leider haben die Amerikaner damals vergessen, dieses Monstrum hier in die
Luft zu sprengen. Wenn ich diese Bauten hier sehe, dann geht mir das Messer
in der Tasche auf. Denn ich denke hier immer an die Barbarei der Faschisten
und an das was sie uns in den KZ’s angetan haben.

Es gibt bekanntlich sehr unterschiedliche Auffassungen über die weitere
Gestaltung dieser Tribüne. – In die Luft sprengen geht nicht mehr – es ist
denkmalgeschützt (Aber nicht nur deswegen)!

Wir haben die Pflicht das aufzuarbeiten!

Es gibt z.B. den Vorschlag den Bau geordnet verfallen zu lassen.
Es gibt andererseits aber auch Vorschläge zur Neu- bzw. Umgestaltung.
Dabei geht es auch um Kosten in Höhe 100 Mio. Euro aufwärts. …
(Hier nicht in Details vertiefen – eine einheitliche Auffassung der VVN-BdA
Nürnberg gibt es dazu bisher nicht. Wir haben zu wenig darüber diskutiert)
Eines aber möchte ich aus antifaschistischer Sicht dazu bekräftigen – und
knüpfe ich an, was Ludwig Göhring meinte:

Diese Tribüne ist nicht nur ein architektonisches Symbol der Naziherrschaft!

(1.) Nein, es ist vor allem ein Symbol der Barbarei und der
Menschenfeindlichkeit. Hier wurden u.a. auf einem Parteitag der NSDAP
(1935) Nürnberger Rassegesetze verkündet und in die Wege geleitet.
Sie kosteten Millionen Menschen das Leben.

Das zeigt: Diese Tribüne hat auch mit Ausschwitz was zu tun.

(2.) Und mit den vorhandenen und geplanten Bauten rings herum ist sie auch
ein nationalistisches Symbol der Machtansprüche der deutschen Faschisten
– im eigenen Land, aber auch gegenüber anderen Staaten.

Und genau das muss bei der Betrachtung und vor allem bei der Neu- oder
Umgestaltung berücksichtigt werden.

Wir hatten eigentlich auch vor – die Tribüne entsprechend zu schmücken.
Ich bleibe dabei: Wenn es überhaupt eine Rechtfertigung für den Erhalt und/
oder Umgestaltung dieses Monstrums gibt, dann nur mit klaren Aussagen:
Gegen Barbarei und gegen den Krieg.

Mit unserem Transparent wollten wir das ausdrücken. Auch auf der Tribüne!
Das Nürnberger Ordnungsamt meinte, das sei zu politisch – und außerdem
kämen dann ja auch die Nazis auf die gleiche Idee. (sie haben es ja auch
schon mal mit einem Fackelzug versucht …)

Zu politisch ??? An diesen Steinhaufen (ringsherum) ist alles politisch! Sie wurden zum Teil gebaut durch die Arbeit von furchtbar ausgebeuteten KZ-Häftlingen – z.B. in den Steinbrüchen der Konzentrationslager.

Die Ausrede mit den Kundgebungen der Nazis – die haben wir schon viel zu oft bei Anmeldungen von Aktionen in Nürnberg gehört. Wenn es danach ginge, dann dürften weder auf dem Hauptmarkt noch vor der Lorenzkirche
noch sonst wo Kundgebungen abgehalten werden.

Da kann ich nur feststellen:

Gestaltet und schützt diese Plätze so, dass kein Rassist und kein Nazi je auf
die Idee kommt mit faschistischen Symbolen da aufzutauchen.
(Meinetwegen „Bunt statt braun“ – wichtig ist antirassistisch und
antifaschistisch.)

Deswegen sind wir heute hier – und wir bleiben an diesem Thema dran.
Denn auch hier auf diesem Platz kann und muss sichtbar gemacht werden:

Faschismus ist keine Meinung – sondern ein Verbrechen.