Solidarität mit Pleite-Griechen?
11. September 2012
Die aktuell in den Medien zu besten Sendezeiten positionierten Meldungen über Griechenland lassen jeden demokratisch gesinnten Menschen erschauern. Hoffentlich! Wieder einmal sind die Bösen schnell ausgemacht. RentnerInnen, ArbeiterInnen, BeamtInnen. Sie haben den Staat Griechenland ausgeblutet und in die Schuldenkrise gestürzt; so jedenfalls will man uns Glauben machen. Doch die Realität sieht wie so oft anders aus.Und dazu muss man nicht einmal diplomierter Volkswirtschaftler sein.Als Griechenland dem Kreis der Euroländer beitrat, war bereits klar, dass dies nur mit geschönten Zahlen möglich geworden war. In den Jahren 1997 bis 1999 hatte Griechenland deutlich mehr Staatsverschuldung als die zulässigen 3%. Und niemand hatte etwas bemerkt?
Kurz nach dem Beitritt, aber spät genug, um keinen Schritt mehr zurück gehen zu können, wurde schon deutlich, dass die damalige Regierung Griechenlands sich den Beitritt ermogelt hatte. Aber der Westen brauchte Griechenland als Außengrenze Europas. Und folglich wurde Griechenland – insbesondere mit deutscher Militärtechnik – zum Grenzstaat ausgebaut, um Flüchtlingen den Weg in die Festung Europas zu verbauen. Als Staat, der von Wasser umgeben ist und Nordgrenzen nur zu Nicht-EU-Staaten hat, war dies der Idealfall für die Mauer gegen die Armutswelle aus den Flüchtlingsländern.
Nun stehen u.a. Griechenlands RentnerInnen am Pranger. Es stimmt, dass das bisherige offizielle Renteneintrittsalter bei 53 lag – oder besser gesagt: Mit 53 Jahren konnte jeder, der es sich leisten konnte, die staatliche Grundrente beziehen.
Da sich das aber kaum ein Grieche leisten konnte, nutzte kaum jemand das Angebot. Es kommt schließlich auch darauf an, wann das wirkliche durchschnittliche Renteneintrittsalter ist. Und da lag Griechenland mit durchschnittlich 61,4 Jahren nur knapp vor Deutschland mit 61,7 Jahren, (Quelle:APA/EU-Kommission/SN, Stand 2009).
Inzwischen hat Hellas das Rentenalter auf 67 angehoben und damit faktisch eine dramatische Rentenkürzung vollzogen. Dabei tragen die Beschäftigten, ArbeiterInnen und Angestellte – wie in anderen Ländern auch – die Hauptlast. Die Erhöhung der Mehrwertsteuer von 11 auf 23% und die Einführungen immer neuer, obskurer Steuern verschlimmern die soziale Lage für die Bevölkerung noch weiter.
„Deutschland muss wieder zahlen“ polterte die BILD. Dahinter versteckt sich die schnöde Tatsache:
Deutschland zahlt Peanuts aber die Banken verdienen sich an der Griechenland-Krise eine goldene Nase.
Von wegen „Solidartätspakt“:
Deutschland bekommt das frische Geld auf dem Weltfinanzmarkt als AAA-Staat zu einem Zinssatz von 1,6% und verleiht es an Griechenland zu einem Zinssatz von 6%. Zahlt Griechenland auch nur einen Teil seiner Schulden an Deutschland zurück, so macht die BRD bereits Gewinn.
Und damit wird auch klar, warum sich Merkel & Konsorten strikt gegen einen Austritt Griechenlands aus dem Euro stark machen. Würde Griechenland nämlich zur Drachme zurückkehren, hätte kein anderer Staat mehr Zugriff auf die Auf- oder Abwertung der Währung. Und eine instabile Eigenwährung würde die Rückzahlung des deutschen Geldes zu einem Jahrhundertprojekt machen. Da die Menschen in Deutschland von den erhaltenen Zinsen keinen Cent sehen werden, da diese vollständig in die heimische Bankenfinanzierung fließt, muss man der Bevölkerung vorgaukeln, das arme Deutschland müsse wieder für alle anderen zahlen.
„Das Erste, das in einem Krieg stirbt, ist die Wahrheit.“ Das gilt auch für Wirtschaftskriege, und in einem solchen befindet sich die Banken Europa – gerade gegen Griechenland. Spanien, Portugal und weitere werden folgen.
Für uns als Antifaschisten gäbe es einen besseren Weg der Schuldenkrise zu begegnen: Die Bundesrepublik Deutschland als Rechtsnachfolgerin des „Dritten Reichs“ soll endlich eine angemessene Entschädigung an den Staat Griechenland zahlen, für die erlittenen Schäden, Opfer und Zerstörungen durch deutsche Soldaten der Wehrmacht, in Kalavrita, Distomo und an vielen anderen Orten Griechenlands. Und zwar mit Zins und Zinseszins. Das wäre allemal besser, als sich als Büttel der Finanzgewaltigen aufzuspielen.
(Jürgen Gechter ist Bundessprecher der VVN-BdA und fährt seit 1988 regelmäßig nach Griechenland. Er hat vor Ort Kontakte zu kritischen Aktivisten und Mitgliedern der PASOK (Sozialdemokratie) und der Kommunistischen Partei KKE.)