NPD – nicht zu verbieten?

6. April 2015

Die Neofaschisten sind nicht zu verbieten – schon 2003 scheiterte ein Verfahren. »Fehlende Staatsferne« könnte die Partei auch diesmal retten  Von Sebastian Carlens  (Junge Welt 24.03.2015)- leicht gekürzt GN

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat den Bundesrat aufgefordert, mehr Beweise für das von ihm angestrengte Verbotsverfahren gegen die neofaschistische Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) vorzulegen.

In dem Beschluss fordert Karlsruhe zusätzliche Informationen in mehreren Punkten. So soll der Bundesrat darlegen, wie sichergestellt worden sei, dass in der Klage keine Geheimdienstinformationen über die Prozessstrategie der NPD verwertet wurden. Der Antragsteller solle außerdem »in geeigneter Weise belegen«, dass seit 2012 die »Vertrauensleute« der Verfassungsschutzämter auf Führungsebene der Partei »abgeschaltet« worden seien. Ebenso fordern die obersten Richter Belege, dass die Agenten »nicht nur ›abgeschaltet‹ worden seien, sondern dass spätestens seit dem 6. Dezember 2012 auch keine ›Nachsorge‹ betrieben werde«.

Warum dieses höchstrichterliche Misstrauen? Bereits im Jahr 2001 hatte es einen Anlauf zum Verbot gegeben. … 2001 reichte die Regierung unter Gerhard Schröder (SPD) einen solchen Antrag ein, Bundestag und Bundesrat zogen nach. Doch das Verfahren endete im Desaster: Weil unter anderem die Führung des nordrhein-westfälischen NPD-Landesverbandes, darunter der Landesvorsitzende, sein Stellvertreter sowie der Chefredakteur der regionalen Parteizeitung Deutsche Zukunft, als Mitarbeiter des Verfassungsschutzes enttarnt worden waren, stellte das BVerfG das Verfahren im Jahr 2003 ein. Über eine mögliche Verfassungsfeindlichkeit war dabei gar nicht geurteilt worden; wegen – so das Gericht damals – »fehlender Staatsferne« der NPD.

Übersetzt: Die BRD hatte die Partei, die sie verbieten lassen wollte, durch  massive Unterwanderung unverbietbar gemacht. Doch gegen sich selbst kann der Staat kaum prozessieren. Das vom Gericht als »fehlende Staatsferne« umschriebene Problem ist also eines der symbiotischen Nähe gewesen. Ohne Verfassungsschutz keine NPD.

Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, teilte am Montag gegenüber jW mit: »Es kommt so, wie wir es immer befürchtet haben: mögliche V-Leute der Geheimdienste bleiben auch im laufenden NPD-Verbotsverfahren eine tickende Zeitbombe. Ich hoffe nur, dass die Innenminister die Zweifel aus Karlsruhe glaubwürdig zerstreuen können. Sonst droht dieses zweite Verbotsverfahren ebenso zu scheitern.«

Zwar sollen diesmal alle Agenten rechtzeitig abgezogen worden sein. Im Beschluss des BVerfG wird jedoch moniert, dass das Parteiprogramm und ein Strategiepapier der NPD nicht als »quellenfrei«, also ohne Mitwirkung durch staatliche Spitzel entstanden, bezeichnet werde. »Der Antragsteller möge sich hierzu erklären«, so das Gericht. Das Parteiprogramm der Neonazis, eine Auftragsarbeit des Inlandsgeheimdienstes? Das Problem scheint sich seit 2003 nicht verändert zu haben: Verbotsziel müssten eigentlich die Landes- und Bundesämter für Verfassungsschutz sein, die sich stets als sicherste Garanten für ungestrafte neofaschistische Umtriebe erwiesen haben.