Erinnerung an den 9.November 1938

7. November 2013

„Wir gingen beide schräg über die Straße, untergefasst, im gleichen Schritt und sahen die Steine fliegen. Sie zertrümmerten die riesigen Schaufensterscheiben, die als kleine, graugrüne Berge von Splittern vor der Auslage endeten. Es war diesmal ein Konfektionsgeschäft, und die Herren und Damen aus Wachs standen steif und freundlich in den Auslagen herum. „Um Gottes Willen, lass uns gehen“ bat sie. „Nein“, sagte ich, ich will das sehen, ich will mich immer daran erinnern, wenn ich weich werde.“ (…) Von fern hörten wir überall Gejohle, Fenster klirren, krachende Möbel, die aus den Fenstern geschleudert wurden, rennende Menschen-mengen, Hilferufe, und der Rauch der brennenden Synagogen zog über die Straßen träge dahin. „Ab heute“, sagte ich, „ist gegen diese Menschen jedes Mittel recht.“ „Ja“, sagte sie, „ab heute schäme ich mich eine Deutsche zu sein, wenn diese Menschen Deutsche sind.“ Sie wurde später von diesen Menschen in Plötzensee erhängt. Günther Weisenborn „Memorial“