Annette Dahms. Redebeitrag 27.01.2023
6. Februar 2023
Beitrag für den 27. 1. 2023
Annette Dahms – Sprecherin VVN/BdA Nürnberg
Nürnberger Widerstandskämpfer im Stadtbild Nürnbergs
Das Straßenbild einer Stadt zeigt, wie sie mit ihrer Geschichte umgeht. Erinnerungskultur ist in Nürnberg ein schwieriges Thema, auch heute noch, besonders wenn es sich um die Erinnerung an den Widerstand gegen den Faschismus vor Ort handelt.
Es gab immer wieder einzelne Initiativen für einzelne Persönlichkeiten, oft ohne Erfolg und besonders nicht für die Breite des Widerstands, der in dieser Stadt stattgefunden hat.
2015 gründete sich dann eine neue Initiative aus Gewerkschaftern, Kirchlichen Organisationen, Kommunisten, SPDlern, dem Kreisjugendring Nürnberg-Stadt, Mitgliedern der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes- Bund der Antifaschisten. Um den Widerstand exemplarisch im Stadtbild zu verankern.
Im letzten Oktober hatten wir nach zahlreichen Aktivitäten und Gesprächen endlich Erfolg: am 27. 10. 22 beschloss die Stadt, dass die Straßen im Neubauviertel Lichtenreuth nach Menschen aus dem lokalen Widerstand benannt werden. Die sechs, die wir zuerst vorgeschlagen haben, sind alle berücksichtigt, dazu kommen 8 Frauen, die von uns, von Nadja Bennewitz, von der Menschrechtbeauftragten der Stadt und von Doris Katheder zugefügt wurden. Ein großer Erfolg.
Ich nenne die Namen dieser Frauen und Männer, die so geehrt werden sollen für Ihren Widerstand gegen Faschismus, Krieg und Unmenschlichkeit.
Berta Backhof, eine bekennende Pazifistin. Eine der Überzeugungen ihrer Gruppe war: „Nie, nie wollen wir Waffen tragen, Nie, Nie wollen wir wieder Krieg! Lasst die großen Herren sich alleine schlagen, wir machen einfach nicht mehr mit“. Erst bei der SPD ging sie später zur KPD über. Sie arbeitete u.a. bei der illegalen Zeitung des „Roten Sandbergs“ mit. Sie blieb lebenslänglich aktiv.
Kunigunde Schwab-Schumann war eine aktive Kommunistin, die Informationen gegen das Naziregime verbreitete und Familien von Verfolgten half. Nach 1945 war sie weiter aktiv gegen Faschismus und Krieg und trat dafür z. B. ein, dass alte NS-Lehrer nicht mehr in die Schulen dürfen sollten. Als Mitglied der Verfassungsgebenden Versammlung für Bayern setzte sie den Passus: „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ in die bayerische Verfassung durch.
Germain Geiß, eine Lehrerin, die den Hitlergruß verweigerte, jüdischen Familien weiter Unterricht gab, und sich offen gegen Angriffe auf Juden und Ausländer stellte.
Marie Haag, eine Hausangestellte, die auch immer bei Juden arbeitete. Als 1938 in der Reichspogromnacht auch das Haus ihres jüdischen Arbeitgebers gestürmt wurde, stellte sie sich vor ihn. Sie wurde so geschlagen, dass sie kurz danach starb.
Die Schwestern Johanna und Paula Nemeskei aus jüdischer Familie, die eine Sängerin, die andere Schriftstellerin, freundeten sich mit einem italienischen Militärinternierten und Zwangsarbeiter an. Sie versorgten ihn und nahmen ihn wohl auch bei sich auf. Sie mußten in den Untergrund gehen.
Anna Schwarm, aktives SPD-Mitglied, bereits 1919 im Stadtrat, engagierte Frauenrechtlerin und aktiv gegen den Faschismus.
Emma Ullmann, die Tochter eines Jüdischen Vaters, eine Ladenbesitzerin. Sie wollte ihr Eigentum verkaufen, um nach Amerika auszuwandern. Es sollte aber nicht an die Nazis gehen. 1938 verstarb sie angeblich durch Selbstmord im Polizeipräsidium, was niemand glaubte, der sie kannte.
Gertrud Steinl, arbeitete als Aufseherin bei der Karpaten-Öl AG Stryj, versteckte eine Jüdin, die wie sie aus Nürnberg stammte, bei ihren Eltern ohne diese zu informieren, dass diese Jüdin sei. Sie ist als „Gerechte unter den Völkern“ in Yad Vashem gelistet.
Ludwig Göhring: er war aktiver Kommunist und versuchte mit anderen durch die den Druck und Verbreitung von Flugblättern und illegalen Zeitungen eine mediale Gegenöffentlichkeit zu schaffen.
Lorenz Hagen, Metallarbeiter, schon vor 1933 Vorsitzender des ADGB in Nürnberg und Mitglied der SPD. Trotz einer Vielzahl von Verfolgungen hielt er an seinen Überzeugungen gegen den Faschismus fest.
Alois Jung, ein katholischer Priester, der mit seiner Gruppe junger Frauen als Alternative zur Hitlerjugend eigene Freizeitprogramme anbot. Er verbreitete einen Protestbrief, wofür er und einige dieser jungen Frauen verfolgt wurden.
Oskar Plaumer, nicht organisiert, ein Telegraphenmechaniker, half der Gruppe um Ludwig Göhring bei der Herstellung einer illegalen Zeitung ohne zu wissen, bei was er da genau half. Er wurde verraten und bereits 1933 während der Vernehmungen zu Tode gefoltert.
Friedrich von Praun, Kirchenbeamter der evangelischen Landeskirche, Mitglied des Johanniterordens, verfasste bereits 1932 eine Streitschrift gegen den Nationalsozialismus, weigere sich, die Nazifahne an der Kirchenstelle zu hisse und wandte sich gegen den Arierparagrafen und bezeichnete die Nazipropaganda als Lügen. Er wurde denunziert und starb im Nürnberger Gefängnis.
Fast alle waren Bedrohungen, Verfolgungen oft Folter, Konzentrationslagern, Gefängnissen und sogar dem Tod ausgesetzt, weil sie sich gegen den Krieg und die nazistische Unmenschlichkeit wehrten.
Sie alle werden nun geehrt. Endlich!!! Wir werden die Umsetzung des Beschlusses intensiv beobachten.