Interview mit Peter Scholl-Latour zur Lage im Nahen Osten

11. September 2012

Das Internetportal der Münchener Tageszeitung Merkur veröffentlichte vor kurzem ein Interview mit dem Publizisten Peter Scholl-Latour zur Lage im Nahen Osten. Darin heißt es:

Wieviel Zeit geben Sie dem Assad-Regime noch?

Viele Hunde sind des Hasen Tod. Der Umsturz und der Fall des Regimes erfolgen nicht von innen her. Er wird systematisch von außen betrieben. Assad hat natürlich im Land sehr viele Feinde. Aber so, wie der »Arabische Frühling« bisher verlaufen ist, würde sogar der sunnitische Mittelstand, der in Syrien sehr bedeutend ist, auf diesen Bürgerkrieg gerne verzichten. (…)

Was haben die Christen zu befürchten?

Das ist im Fall Syrien der eigentliche Skandal. Der Westen kümmert sich nicht im geringsten um das Schicksal der syrischen Christen – immerhin zehn Prozent der Bevölkerung. Den Christen wird es nach einer Machtergreifung durch die Salafisten ebenso ergehen wie einst den Christen im Irak, von denen die Hälfte bereits geflohen ist. Bei aller Kritik darf man nicht vergessen, dass das Assad-Regime das einzige säkulare im gesamten Orient war. Es gab in Syrien sogar einen christlichen General, der erst kürzlich umgebracht worden ist. (…)

Wer steht hinter den Aufständischen in Syrien, wer unterstützt sie?

Saudi-Arabien, Katar, die Türkei und natürlich die USA. Nicht zu vergessen die Europäer, die ebenfalls kräftig mitmischen. Sie sind vor allem verbal immer in vorderster Front zu finden. Etwa beim Fordern von Sanktionen. (…) Diese Rufe nach Sanktionen sind wenig sinnvoll, weil sie in erster Linie die armen Bevölkerungsteile treffen. Und nicht die führenden Schichten, wie wir wissen. (…)

Warum liegt vor allem den USA so viel am Sturz des Assad-Regimes?

Der eigentliche Zweck dieses Umsturzes, und deshalb sind auch die Amerikaner so intensiv beteiligt, ist das Verhindern einer Achse. Unterbunden werden soll, dass der Iran über den Irak – der ebenfalls mehrheitlich schiitisch ist und dessen Regierungschef mit Teheran sympathisiert – und über die Alewiten in Syrien, die ebenfalls Teheran nahestehen, die bereits enge Verbindung zur Hisbollah im Libanon ausbaut. Dort ist die Hisbollah im Süden die stärkste und landesweit die kontrollierende Kraft. Sie ist so stark, dass sie im Jahr 2006 sogar die Israelis zurückschlagen konnte.